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So erkennst du, ob du den richtigen KALORIENÜBERSCHUSS hast!

Ich finde auf der Welt gibt es überall unbestrittene Gesetze:

  • Ampel rot = Autos müssen stehen bleiben
  • jemanden umgebracht = lebenslang ins Gefängnis
  • rennen = bewege deine Beine
  • Pommes = nur mit Ketchup

…ja okey, letzteres ist Geschmackssache. Aber du weißt, was ich meine

Auch in der Fitnessbranche gibt es ein unbestrittenes Gesetz, worin sich alle einig sind: „Um Muskeln aufzubauen müssen mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden“

Aber so wie du vermutlich bei der Frage Pommes mit Majo oder Ketchup (oder generell keine Pommes) “mit Majo” und ich “mit Ketchup” antworten würde, so herrscht auch bei dieser Frage Uneinigkeit. Klar ist, dass für einen guten Muskelaufbau ein Kalorienüberschuss benötigt wird. Unklar ist nur: “Wie viel?”

Hyperkalorische Versorgung – Voraussetzung für Muskelaufbau – Aber warum?

Im Kaloriendefizit baut man Körperfett besser ab, im Kalorienüberschuss baut man Muskeln besser auf!

Um unseren Körper dazu zu bewegen Energie (sprich Fettsäuren) aus den Adipozyten auszuschleusen, müssen wir ihn in eine Situation bringen, in welcher er dies als notwendig ansieht. Nichts eignet sich hierfür besser als eine Ernährung unter dem eigentliche Bedarf. Denn genau hierfür hat uns die Evolution geschaffen. Wir speichern eine Menge Energien in unseren Fettzellen, um sie dann bei Bedarf wieder frei zu geben.

Beim Muskelaufbau ist es etwas anders. Hier steht uns die ebenfalls evolutionär vorgegebene Priorisierung des Körpers im Umgang mit Nahrungsenergie im Weg. Wenn wir als Bodybuilder es uns aussuchen könnten, dann würden wir die Nährstoffe ohne Umwege sofort in die Muskelzellen leiten, damit der Muskel wächst. Leider sieht unser Körper die Zielsetzung Muskelaufbau als weit weniger wichtig an als wir.

In Wahrheit genießt Muskelaufbau eine sehr niedrige Priorität, die nur dann signifikant zum Zuge kommt wenn wir 2 Dinge erfüllen:

  • die notwendige Belastung muskulärer Strukturen
  • eine ausreichende Versorgung mit Energie

Nur wenn hypertrophiespezifische Signale in unserem Gehirn ankommen und andere Gewebe, Hormone und Organe unserer Schaltzentrale signalisieren, dass die Bedarfssituation es rechtfertigt Muskelmasse zusätzlich aufzubauen, werden auch tatsächlich die nötigen Prozesse eingeleitet (z.B. die Erhöhung der Stickstoffbilanz im Muskel). Ist dies nicht der Fall, sieht der Körper es auch nicht als überlebensnotwendig an und eine andere Priorität rückt an auf den ersten Platz: die Versorgung des Gehirns und der Organe sowie der Erhalt der Körpertemperatur.

Fazit

Unser Körper gibt grünes Licht für Muskelaufbau, wenn er die Versorgungssituation als gesichert ansieht. Überleben steht in diesem Falle vor einem Armumfang mit 50cm. Kalorienüberschuss ist die Grundvoraussetzung für Anabolismus.

Wie bestimme ich meinen Kalorienbedarf richtig?

Unsere eben gemachte Feststellung ruft natürlich neue Fragen auf den Plan. Die Wichtigste in diesem Zusammenhang befasst sich mit der richtigen Bestimmung des momentanen Ist-Kalorienbedarfs. Nur wenn wir ihn kennen, lässt sich ein Ernährungsplan vernünftig für Muskelaufbau in Richtung „hyperkalorisch“ planen.

Pauschale Formeln zur Ermittlung des Kalorienbedarfs am Beispiel PAL

Was ist PAL?
PAL ist die Abkürzung für „Physical Activity Level“. Über die Ermittlung des PAL erhält man eine Art Index, mit dem die individuelle Grundumsatzermittlung multipliziert wird. So errechnet sich dann der Gesamtenergiebedarf pro Zeiteinheit. Der Gesamtenergiebedarf setzt sich aus dem Grundumsatz und dem Arbeits- (Leistungs-) Umsatz zusammen und stellt somit die Energiemenge dar, die wir zur Deckung unseres gesamten Bedarfs benötigen.

Der Grundumsatz stellt die Menge an Energie zum Erhalt der grundlegenden Körperfunktionen und Körpertemperatur dar, während der Arbeitsumsatz sich auf die Anforderungen des Alltags bezieht.

Berechnung des Grundumsatzes
Grundlage für die Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs nach PAL ist die Bestimmung des Grundumsatzes. Hier hält die Wissenschaft mehrere Ansätze bereit, die mehr oder weniger individuelle Ergebnisse liefern. Beispielhaft zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Modelle von Harris und Benedict, der Broca-Index oder der Mifflin-St.Jeor-Formel. All diese Möglichkeiten bezeichnet man als sog. Annäherungsformeln. Dies bedeutet allerdings, dass es sich in vielen Fällen nicht um exakte Werte handelt.

Berechnung mit PAL
Der PAL-Faktor oder PAL-Index wird nun über Faktor-Tabellen ermittelt. Jede körperliche Tätigkeit wurde dazu mit einem bestimmten Aktivitätsfaktor versehen. Aufgabe der jeweiligen Person ist es nun, die 24 Stunden des Tages entsprechend der folgenden Tabelle zu faktorisieren, die Faktoren dann auf zu summieren und durch die Anzahl der Stunden (also 24) zu dividieren.

FaktorAktivität

Beispiel

1.2nur sitzend oder liegendgebrechliche Menschen
1.4-1.5sitzend, kaum körperliche AktivitätBüroarbeit am Schreibtisch
1.6-1.7sitzend, gehend und stehendStudenten, Schüler, Taxifahrer
1.8-1.9hauptsächlich stehend und gehendVerkäufer, Kellner, Handwerker
2.0-2.4körperlich anstrengende ArbeitLandwirte, Hochleistungssportler

Der so ermittelte Wert ist der sog. PAL-Index, der nun mit dem Grundumsatz multipliziert dann den Gesamtenergiebedarf nach PAL in kcal ergibt.

Der Knackpunkt

Wie oben bereits angesprochen, haben wir es hier in der Gesamtheit nur mit Annäherungswerten zu tun. Das Problem, vor allem mit Sportlern besteht darin, dass wir uns zu sehr von der Norm des Otto-Normalverbrauchers abheben. Genau für diese sind derartige Formeln und Index-Bestimmungen konzipiert. Je weiter man sich vom „Standard-Bürger“ entfernt, umso weniger kann man mit aussagefähigen Ergebnissen rechnen.

Resümee
Auf unserem Weg zur Ermittlung des richtigen kalorischen Überschusses für Muskelaufbau waren unsere ersten beiden Stationen die Fragen warum ein Überschuss wichtig ist und wie man seinen derzeitigen Kalorienbedarf bestmöglichst ermittelt.

Unbrauchbare Theorien zur Bestimmung des notwendigen Kalorienbedarfs

Feste Vorgaben zu Kalorien für Muskelaufbau

Stell dir vor du fliegst in den Urlaub und musst deinen Koffer vorher abwiegen, ob er das zulässige Höchstgewicht von 25 kg nicht überschreitet. Du packst alles Nötige rein, ziehst den Reißverschluss zu und stellst den Koffer auf die Waage: 24,7 kg. Perfekt, der Koffer ist nicht zu schwer für den Flug und du hast alles drinne, was du brauchst.

Im Laufe des Tages fallen dir dann aber doch noch einige Dinge ein, die du mitnehmen möchtest. Zum Glück hat der Koffer in seinen Seitentaschen noch ein wenig Platz frei… Am Flughafen staunst du nicht schlecht, als dein Koffer als viel zu schwer deklariert wird. Du hattest ihn doch zuhause extra gewogen.

Klar, denkst du dir, schließlich wurden nach dem Wiegen noch einige andere Dinge dazugepackt, die auf der Waage nicht mehr beachtet wurden. Wie blöd, dass man sowas nicht beachtet.

Genauso machen wir das aber häufig bei der Berechnung unseres Kalorienbedarf. Geschlecht, Alter oder Ausmaß an Körperzellmasse wird von uns nicht beachtet und einfach außen vor gelassen. Wie bei dem Koffer das Fluggewicht durch zusätzliche Dinge beeinflusst wurde, können auch hier schon kleinste Veränderungen den Kalorienbedarf verändern.

Nach eingehender Recherche habe ich einen Ursprung gefunden, der (wenn überhaupt möglich) einen solchen Ansatz stützen könnte, nämlich den der Thermodynamik. Dieser physikalischen Größe zur Folge hat der durchschnittliche Mensch mit 75kg einen Ruhebedarf von 2500kcal, gemessen an seiner Wärmeabgabe. Hinzu kommt hier noch der Bedarf für mittlere bis schwere körperliche Aktivität im Laufe des Tages.

Ausgehend von 2500 kcal zuzüglich möglicher anstrengender Arbeit und 1-2 Stunden Training gibt man über den Daumen gepeilt einfach einen Kalorienbedarf von ca. 3500, im besten Fall 5000 pro Tag an. Hier zählt also das Motto: „In 5 von 10 Fällen geht es gut, in 5 von 10 eben nicht“

Mehr oder weniger als 75kg zu wiegen, die Außentemperatur, die Größe der Person und somit die Oberfläche zur Abgabe von Wärme stellen hier nur kleine zu vernachlässigende Nebensächlichkeiten dar, die das Ergebnis möglicherweise nicht signifikant in die ein oder andere Richtung verschieben.

Feste Vorgabe zur kalorischen Zugabe

Ein zweiter ebenso pauschaler Ansatz empfiehlt allgemeingültig eine kalorische Zugabe von 500kcal über dem eigenen Bedarf für Muskelaufbau. Wie sinnfrei eine solche Aussage ist zeigt folgendes Beispiel:

  • Person 1 weiblich IST-Bedarf 1600kcal + 500kcal = 2100kcal = Steigerung um 31,25%
  • Person 2 männlich IST-Bedarf 3500kcal + 500kcal = 4000kcal = Steigerung um 14,29%
  • Person 3 männlich IST-Bedarf 5000kcal + 500kcal = 5500kcal = Steigerung um 10%

500kcal sind für jeden etwas anderes. Im Beispiel unserer weiblichen Athletin werden mit 500 zusätzlichen Kalorien 31% des Gesamtbedarfs mehr aufgenommen. Gibt man bei unserem „Schwergewicht“ mit 5000 Ist-Kalorien 500 kcal als kalorische Zugabe dazu sind das gerade mal 10%. Du merkst also, die Abweichungen sind viel zu groß und zu pauschal, als dass man diesem Ansatz Glauben schenken sollte.

Die richtige Taktik

Auch in Sachen kalorische Zugabe sollte man der Individualität der Person gerecht werden. Zur Konzipierung meines Ernährungssystems habe ich mir über dieses Thema viele Gedanken gemacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass der wohl wichtigste individuelle Wert, den man hierzu berücksichtigen muss in diesem Falle der aktuelle Gesamtkalorienbedarf ist. Diesen haben wir weiter oben ja bereits ermittelt. Ausgehend davon kann nun für die kalorische Zugabe eine Menge von 10-20% des Ist-Bedarfs angesetzt werden.

Da Frauen generell dafür bekannt sind, Arbeit mit weniger Energieaufwand zu bewältigen als Männer, werden Sie sich eher an 10-15% halten, während für Männer eher 15-20% vorgeschlagen werden. Unser kleines Rechenbeispiel vom obigen Abschnitt verdeutlicht die Zusammenhänge:

  • Person 1 weiblich IST-Bedarf 1600kcal + 12,5% = 1800kcal
  • Person 2 männlich IST-Bedarf 3500kcal + 17,5% = 4112,5kcal
  • Person 3 männlich IST-Bedarf 5000kcal + 17,5% = 5875kcal

Im Ergebnis erhalten wir mit dieser Vorgabe angelegt an den IST-Bedarf und unter Berücksichtigung des Geschlechts ein deutlich individuelleres und auch passenderes Ergebnis.

Zusammenfassung
Der Weisheit “Alle Wege führen nach Rom” sollte man im Themenschwerpunkt Kalorienüberschuss keinen Glauben schenken. In diesem Artikel hast du viele verschiedene Möglichkeiten kennengelernt, doch es wurde deutlich, dass die pauschalen Ansätze keine guten Ergebnisse hervorbringen können. Denn die Folgen davon können bei zu wenig Kalorien ein gehemmter Muskelaufbau und bei zu vielen Kalorien Fett an Hüften, Schenkeln oder Gesäß bedeuten. Wenn du nun nochmal an das Beispiel mit dem Koffer zu Beginn des Artikels zurückdenkst, wird es dir einleuchten, dass pauschal am Ende nicht zielführend ist.

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